Archiv der Kategorie: Trier

Äddi unn ville merci

0205mosel Mein Lieblingsfoto solle ich bitte noch schicken, bat Gianna Niewel von der (übrigens prima gemachten) Trierer Online-Zeitung 16vor.de Bitte sehr. Mosel am Morgen.

0205rosihummelLetzter Tag: schnell noch mal zu Rosi und Hummel ins »Aom Ecken« auf eine letzte Porz Viez (Hummel macht mir eine halbe Portion Tatar, die für zwei hungrige Steinmetze reicht). Schnell noch ins Schwach & Sinn, wo es neben Mosel-Tapas (Dippelappes, Teerdisch mit Blutwurst, Strempelchen) auch vier Sorten Viez gibt, von Welschbilliger aus der Kelterei Marc Conrad (»erdig-intensiv«) bis Waldracher aus der Kelterei Scherf (»ausgewogen fruchtig«).

0205spangeSchnell noch ein letztes Souvenir: eine daumenlange Bronzespange aus römischer Zeit, gefunden in irgendeinem Keller wie so vieles hier. Die soll mich daran erinnern, dass ich unbedingt noch mal nach Trier zurück muss, um den ganzen Geschichtskladderadatsch aufzuarbeiten, den ich so schmählich vernachlässigt habe.

Ach so, gekauft habe ich die Spange übrigens für einen Zehner im ebenfalls viel zu spät entdeckten Antiquitäten-Wunderland Kottmeier. Gleich um die Ecke von mir in Pallien, und ich komme da natürlich erst fünf vor zwölf drauf. Typisch.

Danke also, Trier, für die Gastfreundschaft und die Geduld, wenn ich nicht gleich alles verstanden habe. Ich habe schöne Schimpfwörter gelernt (Dau Fupp! Doas!) und außerdem schnell kapiert, dass in den kleinsten Päckchen die schönsten Geschenke sind. Denn Trier ist: Watt en Teimert!

Rock’n’Roll

0202teelicht Wenn es nach diesem Teelicht geht, habe ich alles von Trier gesehen.
Karl-Marx-Geburtshaus √
Kaiserthermen √
Alter Krahnen √
Steipe √
Porta Nigra √
Mariensäule √
Petrusbrunnen √
Marktkreuz √
Konstantin-Basilika √ (von außen, die ist leider bis März wegen Orgelbauarbeiten geschlossen)
Dom √
Aber was ist das ulkige T-Shirt da am Dom? Oh, das ist gar kein T-Shirt, sondern der Heilige Rock? Den wollte ich noch sehen, das war auch eine der Aufgaben, die man mir gestellt hatte: so nah wie möglich an den Heiligen Rock heranzukommen.

21_fullDer Heilige Rock ist eine Reliquie, die seit dem 12. Jahrhundert im Dom aufbewahrt wird. Angeblich das Untergewand, das Jesus bei der Kreuzigung getragen hat, und angeblich von der Heiligen Helena, der Mutter Konstantins des Großen, persönlich nach Trier gebracht. 1512 wurde der Rock zum ersten Mal öffentlich ausgestellt, seitdem wurde er zum Ziel von unregelmäßig stattfindenden Wallfahrten. Im 20. Jahrhundert wurde er nur dreimal gezeigt – 1933, 1959, 1996 –, die bisher einzige Wallfahrt im 21. Jahrhundert fand 2012 statt, 500.000 Pilger kamen aus Polen, Italien, Irak, der Ukraine.

Wie bei allen Reliquien ist die Herkunft mehr als zweifelhaft. In seiner heutigen Form ist der Rock eine Art Textil-Sandwich aus mehreren Stoffschichten aus den vielen Jahrhunderten, die teils zum Schutz, teils als Ausbesserung der zerfallenen Wollfasern dienten. Im 19. Jahrhundert kam jemand auf die schlaue Idee, das ganze Konstrukt mit Gummiarabikum zu stabilisieren, seitdem ist da textilarchäologisch überhaupt nichts mehr zu holen, die letzte Untersuchung 1973/74 brachte keine Erkenntnisse.

0202propst Aber darum gehe es auch gar nicht, sagt Dompropst Werner Rössel, den ich bei meiner Mission um Hilfe bitte. Er ist der Herr des Rocks, er hat den Schlüssel zu der Kapelle, in der der Rock liegend in einem Holzschrein von 1891 (und der wiederum geschützt durch einen klimatisierten Glasschrein) aufbewahrt wird. »Der Rock ist eine Ikone für Christus, ein Symbol«, sagt er, als wir uns auf den Weg durch den Dom machen. Eine Treppe hinauf, eine eiserne Gittertür wird aufgeschlossen, durch das hintere Kirchenschiff und Absperrseile hindurch – und dann endlich vor der Bronze-und-Glas-Tür, hinter der sich der Rock befindet. Der Propst studiert das laminierte Kärtchen mit dem Zugangscode (»Ich kann den nicht auswendig«), tippt ihn ein, drückt einen Schlüsselchip gegen den Sensor, das Schloss öffnet sich – und dann hakt die Tür. Irgendwie, irgendwo, mit allem Ruckeln geht nichts weiter. Ein Dombruder muss kommen. »Bruder Martin, da muss doch irgendwo noch ein Riegel sein.« Bruder Martin ist ebenfalls ratlos. Zuschließen, noch mal aufschließen – geht immer noch nicht. Nach einer Viertelstunde geben wir auf, der Propst zuckt entschuldigend die Schultern. Der Heilige Rock – zum Greifen nah, und doch…

Auf die nächste Chance muss ich etwas warten. Noch gibt es keinen Termin für die nächste Heilig-Rock-Wallfahrt, man spekuliert auf 2033, die 2000. Wiederkehr der Auferstehung Christi. Immerhin die Kapelle wird aber vom 27. April bis 2. Mai geöffnet, um den Schrein zu umrunden. Wenn sie die Tür aufkriegen.

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Die Welt, ein Dorf

Einblick_in_Hof13 Oft denke ich, große Ideen haben es leichter im Kleinen. Je größer die Stadt, desto größer auch die Widerstände, die Gremien, der Verwaltungsapparat. Je kleiner der Ort, desto mehr können einzelne Entschlossene bewirken.

0201schammatdorf Eine dieser großen Ideen findet sich neben der Benediktinerabtei St. Matthias, die nicht nur der einzige deutsche Ort mit einem Apostelgrab ist, sondern unter ihren 17 Brüdern auch einen hat, Bruder Eucharius, der zugleich als Amtsrichter in Trier arbeitet (den hätte ich zu gern getroffen, aber wie man sich vorstellen kann, ist sein Kalender ziemlich dicht). Auf den ehemaligen Feldern der Abtei ist ab 1979 ein bemerkenswertes Wohnprojekt entstanden, das Schammatdorf. In 144 Wohnungen leben derzeit rund 280 Bewohner aus allen Lebensbereichen miteinander. Menschen mit und ohne Behinderungen (40 Wohnungen sind barrierefrei), Ältere, Jüngere, Familien, Studenten. Darunter seit 1984 der Klaus und seit elf Jahren seine zweite Frau, die Malu. Zwei von vielen, auch wenn »der Klaus« zufällig Klaus Jensen ist, der Oberbürgermeister von Trier, und »die Malu« Malu Dreyer, seit einem Jahr rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin.

0201telefonzelle »Es sagt was über ihre Werte, dass sie hier wohnen geblieben sind«, sagt Sarja Herres, die sogenannte Kleine Bürgermeisterin des Projekts, die mich durch das Dorf führt. Die Wohnungen in der Größe von 50 bis 128 Quadratmetern (Nettokaltmiete 5,40 Euro) sind um elf Höfe gruppiert, jeder Hof hat Mitspracherecht bei der Vergabe leergewordener Wohnungen. Einmal im Monat trifft man sich sonntags zum gemeinsamen Kochen und Essen im Dorfzentrum, jeden Freitag im »Kneipchen«, wo jeder reihum Dienst schiebt. (Übrigens auch Bruder Eucharius, der Verbindungsmann zur benachbarten Abtei.) Darüber hinaus gibt es Konzerte, Sommerfeste, Dorfolympiaden. Und auch andere Ideen, das Leben zu teilen: In einer ausrangierten Telefonzelle zum Beispiel ist eine Büchertauschbörse eingerichtet, man kann bringen und mitnehmen, was man mag.

Hat sich etwas geändert am Leben hier, seit die Malu diesen neuen Job in Mainz hat? »Nicht wirklich«, sagt Sarja Herres. »Höchstens dass öfter mal die Polizei durch die Straße fährt und man besser aufpasst, ob man mit dem Handy im Auto telefoniert.«

Stark

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315463_272706806086636_487699099_n »Als Kind bin ich dauernd auf meinen Großvater angesprochen worden, das ging mir mächtig auf die Nerven«, sagt Paul Trappen II. Heute ist das anders, und deshalb sitzen wir hier. Als ich ihn neulich im Theater Trier hinter den Kulissen kennenlernte – er arbeitet als Schnürmeister dort, ist also für Vorhänge und alle Kulissenbewegungen zuständig –, hat er mir auf dem Handy ein paar Fotos seines Großvaters gezeigt. Paul Trappen I: vor 100 Jahren der stärkste Mann der Welt. Darüber wollte ich unbedingt mehr hören.

Zwei Ochsen hat der Opa gehoben (4128 Pfund), 32 Leute gestemmt (4740 Pfund), und es hätte nicht viel gefehlt, da hätte er eine Weltkarriere beim amerikanischen Zirkus Barnum & Bailey gemacht. Stattdessen blieb er in Trier, betrieb als Wirt das Rippchenhaus in der Simeonstraße (»Rippchen mit Kraut 1,10 DM, Rumpsteak 1,60 DM, halber Liter Bier 0,39 DM«) und war sein eigener bester Kunde: »Ein Omelette aus einem Dutzend Eiern, zwei Liter Ochsenblut, zwei Pfund Tartar – das war nichts für ihn«, sagt sein Enkel, der seinen Großvater nicht mehr erlebt hat, dafür viele Anekdoten von seinem Vater kennt. »Mein Vater musste immer das Auto meines Großvaters putzen und wollte eines Tages mal damit eine Runde drehen. Da hat mein Opa den Wagen hinten angehoben, damit er nicht wegkonnte.«

0201paultrappenUnd der Enkel? Macht er selbst auch Kraftsport? »Nein, mein Knochenjob reicht mir«: 17 mal hat er sich bereits den Arm ausgerenkt. Er ist eher zufällig ans Theater geraten, Anfang 1983 als Statist in der Operette Wiener Blut: »Ich habe mich in so einem Goldbrokathöschen zum Larry gemacht, der Job bestand darin, eine Stunde lang eine Fahne zu halten.« Kurz danach begann er als Bühnenarbeiter und wurde schnell zum Schnürmeister befördert.

»Das Theater ist meine Welt. Es ist die tollste Arbeit, die man sich vorstellen kann, ich würde keine andere machen wollen.« In der Studentenkneipe Astarix direkt neben dem Theater, wo wir uns treffen, ist er seit 30 Jahren Stammgast, als einziger hat er hier einen PVP. Einen was? »Einen persönlichen Viez-Porz«, den typisch Trierer Apfelweinbecher, das Geschenk eines Kammersängers. In der Kneipe hängen Filmplakat-Parodien mit seinem hineinkopierten Foto: »Dirty Drinking«, »Indiana Jones – Jäger des vergorenen Apfels« und »Viez-Tricks«. Eher beiläufig erzählt er, wie das Theater vor zwei Jahren mal die Generalprobe zu einer Benjamin-Britten-Oper verschoben hat, damit er dabei sein konnte. Warum? »Ich musste zu so einer Preisverleihung.« Was für ein Preis? »Ach, so ein Ding für Zivilcourage. Ich bin bei einer Schlägerei dazwischen gegangen, da ist eine Frau auf offener Straße verprügelt worden.«

Starker Opa. Starker Enkel.

Nebenan

0128nebenanUm das noch mal zu erklären: Dass ich in diesem ersten Monat so schwer in die Puschen gekommen bin, hat nicht das Geringste mit Trier zu tun, wie einige hier gemutmaßt haben. Im Gegenteil: Ich hätte sogar, wenn ich mich nur auf Pallien beschränkt hätte, mehr schreiben können und müssen. Wäre zu den Dachdeckern hochgestiegen, die das Haus in der Nebenstraße neu mit Schiefer eindecken. Hätte den Typen befragt, in dessen Fenster ein Veranstaltungsplakat zur Kritischen Psychologie hängt: Was genau ist das? Oder hätte bei demjenigen geklingelt, durch dessen Fenster ich gleich mehrere Sportbögen erspähen kann. Oder hätte am Dienstagabend beim TuS Pallien 07 mitgeturnt. Oder hätte versucht, an einer Sitzung der Stadtgarde teilzunehmen, die gegenüber tagt. Oder hätte den älteren Herrn von schräg gegenüber besucht, der dem Hausmeister-Ehepaar der kleinen Kirche per Scheinwerfer vor seinem Fenster Lichtzeichen gibt, wenn er was braucht. Oder hätte noch mehr mit der Fahrerin des Bäckereiwagens geplaudert, die mittwochs und samstags durchfährt. Oder… Schon klar, oder? Ich hätte keine Probleme, einen Monat lang eine einzige Straße abzuklappern, ich bin sicher, sie gäbe genug Geschichten her. Wie vermutlich jede Straße in Deutschland.

Lëtzebuerg

0128lux1 Jeder zweite Beschäftigte in Luxemburg pendelt aus den Nachbarstaaten ein, aus Frankreich, Belgien und Deutschland – aus Rheinland-Pfalz kommen rund 30.000, gelockt durch die niedrigeren Steuern und Sozialabgaben sowie die höheren Rentenansprüche. Arbeiten in Luxemburg, Wohnen in Deutschland, das geht inzwischen ganz leicht. Von Trier aus sind es rund 40 Minuten Fahrt – es sei denn, man steht mal wieder im Stau.

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Aber auch für einen kleinen Spaziergang lohnt sich die Fahrt. Frühstücken im Café Namur in der rue des Capucins, bisschen durch die Altstadt streifen, den Hund durch den schönen Park unterhalb der Gëlle Fra flitzen lassen, über die Familienfoto-Postkarten mit der herzoglichen Familie lachen (leise, versteht sich), sich über die Fußgängerzone freuen, in der man Obst- und Fleischereigeschäfte neben Louis Vuitton findet, zum Schluss noch Trüffel und Macarons bei Oberweis kaufen und mit dem Pendlerbus für fünf Euro wieder gemütlich nach Hause fahren. Halber Tag, ganz andere Welt, gleich nebenan.

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Kehrtag

Ich bin am Aufräumen. In der Wohnung, in meiner Planung, überhaupt. Und dazu gehört auch, all das Liegengebliebene, Erlebte, Fotografierte mal wegzusortieren. All die Dinge, von denen ich mir in den letzten Wochen gesagt habe: Darüber werde ich irgendwann ausführlicher bloggen. Seien wir realistisch: Das passiert ja doch nicht. Deshalb lieber die Schnipsel knackig kurz wegerzählt als für ewig auf der Halde, einverstanden?

Die Pallien-Diät
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Die Kehrseite der hier bereits viel besungenen Palliener Idylle ist, dass es kein einziges Geschäft gibt, keinen Kiosk, keine Tankstelle, nichts. Zum nächsten Supermarkt sind es eineinhalb Kilometer, zur Tanke (für die Sonntagszeitungen) zweieinhalb. Nicht schlimm für jemanden mit Hund, im Gegenteil. Nur überlegt man sich bei jedem Einkauf, was man wirklich braucht – denn man muss es ja alles nach Hause schleppen. (Ich erinnere ungern nochmals daran: Ich bin derzeit ohne Führerschein.) Das bedeutet: Ich verkneife mir Dinge, die ich ansonsten unverzichtbar finde: Haribo Phantasia in der Anstaltspackung, Tortilla Chips, aber auch die eine oder andere Flasche Wein. Stattdessen Joghurt, Obst, Müsli. Ergebnis: angenehm locker sitzende Jeans. Sollte ich mir patentieren lassen, die Methode: Diätwillige in ein Dorf bringen und ihnen sofort den Führerschein abnehmen.

Wenn ich dann doch etwas heim ins Heim schleppe, muss es schon besonders gut sein. Zum Beispiel das Cointreau-Marzipan von der Confiserie Raab in der Karl-Marx-Straße. (Für Fiete Rinderkopfhaut von House & Hound ein paar Häuser weiter.) Oder mal eine Flasche Riesling von Markus Molitor aus meiner Lieblingsweinbar Weinsinnig.

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Das Besondere an Manuela Schewes Laden ist die begehbare Weinkarte: An der Wand findet man alle Weine, die offen im Ausschank sind. Ist eine Flasche leergetrunken, darf man sich eine neue aus dem Angebot aussuchen, vorausgesetzt, man trinkt gleich selbst das erste Glas. Dadurch ändert sich die Karte ständig. Manuela hat die Klassiker von Molitor und Heymann-Löwenstein, aber auch die Jungen Wilden wie Axel Pauly und Philipp Kettern im Angebot. Und natürlich den Trierer Hauswein vom Deutschherrenhof. Dazu gibt es richtig guten Flammkuchen und lustige Veranstaltungen wie Fass X: Ein Winzer verbirgt sich in einem großen Holzfass und muss von der versammelten Weintrinkergemeinde erraten werden. Im vergangenen Juli saß beispielsweise Günther Jauch im Fass … vor 30 verblüfften Weinliebhabern.
Weinsinnig, Palaststraße 12, 0651/979 01 56. Dienstag bis Samstag ab 11 Uhr.

Das erste Souvenir
0127valentine Das ist Valentine La Verte, mit der ich mich in der sehr charmanten Weinstube Kesselstatt zum Abendbrot verabredet hatte. (Bisschen viel die Rede vom Wein hier gerade? Hey, dies ist die Mosel.) Valentine (im wahren Leben Christine MacKusick) gehört zu den Sowohl-als-auch-Menschen, mit denen ich immer viel anfangen kann: Vater Amerikaner, Mutter Deutsche. Tagsüber Leiterin eines Übersetzerbüros, abends Upcycling-Künstlerin. Sie hat mir eines ihrer Objekte als Geschenk mitgebracht: eine alte Schublade, neu beklebt und mit gebogenen Esslöffeln als Haken. Hübsch, aber nicht ganz das Richtige für mich, deshalb habe ich mit Valentine abgesprochen, dass ich ein neues Heim für das gute Stück suche. Selbstabholer: bitte Mail an meike@zurueckauflos.com.

Beweisfoto für Meike Valentine trägt ihren Pseudonym-Nachnamen übrigens völlig verdient: Ihr Kleiderschrank besteht fast ausschließlich aus grünen Klamotten. »Es macht das Leben einfacher«, sagt sie. Ich weiß, wovon sie redet…

0127freudkissen Dies hingegen ist tatsächlich mein erstes Trierer Souvenir – einfach weil ich mit sowas hier nicht gerechnet hätte. Ein Kissenbezug aus grobem Sackleinen, liebevoll per Kreuzstich mit einem Porträt Sigmund Freuds bestickt. Das Stück ist derart absurd, dass ich nicht widerstehen konnte. Fundort: Kaufhaus Popp. Das Mini-Kaufhaus in der Neustraße ist letztes Jahr von Local Hero Ingo Popp eröffnet worden, der zuvor als Konzertveranstalter und Gastronom die Stadt aufgemischt hat. Im Sortiment: Postkarten, Teppiche, Kosmetik, Schuhe, Porzellanfiguren, Marzipan, Mülleimer, Krams – alles, was dem Hausherrn gefällt.
Kaufhaus Popp, Neustraße 22, Montag 14 bis 19 Uhr, Dienstag bis Samstag: 11 bis 19 Uhr.

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Im grünen Bereich
Wenn ich am Ende dieses Jahres an Trier zurückdenken werde, wird mir, glaube ich, als erstes der Wald einfallen. Genauer: die für mich als Großstädterin immer noch verstörende und immer noch beglückende Nähe zum Wald. Keine zehn Fußminuten entfernt. Als Norddeutsche hat man es eigentlich nicht so mit Wald. Wir haben Meer und dazwischen Felder, hin und wieder steht mal ein Wäldchen in der Gegend, das aber meist schnell durchschritten ist. Hier aber kann ich stundenlang, wirklich stundenlang mutterseelenallein durch die Bäume spazieren und dabei immer wieder neue Entdeckungen machen.

0127waldmodelOft auch überraschende wie diese hier: Ein Mädchen stand im Walde so für sich hin. Na schön, nicht ganz. Ein Fotograf war noch dabei und die junge Modestudentin, deren Semesterarbeit hier abgelichtet wurde. (Madame La Verte hätte es sicher gefallen.) Und weil Trier eine kleine Welt ist, traf ich den Fotografen ein paar Tage später wieder: als Theaterfotografen bei einer Generalprobe im Theater Trier.

0127mambo Und zum Schluss noch das hier: mein Lieblingshaus in Trier, ebenfalls in der Karl-Marx-Straße. Es könnte auch in New Orleans stehen oder in Paris – wie kommt es nur hierher? Das Bistro ist geschlossen, das Haus steht leer; ich muss unbedingt noch herausfinden, was es damit auf sich hat.

Gerade mal geschaut, was sich hier zusammengefegt hat, und stelle fest: Überhaupt alles so schön grün hier, oder? Sogar die Blümchen auf dem Sigmund-Kissen passen. Sollte ich öfter mal machen, das Kleine zum großen Ganzen zu versammeln.

0127eifelbank P.S. Der 313 Kilometer lange Eifelsteig endet in Trier, die letzten Kilometer führen oberhalb der Mosel an der Bruchkante des Buntsandsteingebirges entlang. Und dort stehen diese Bänke. Auf eine besonders unangenehm hervorstehende Latte hat jemand liebevoll warnend geschrieben: »Dat is für dein Hohlkreuz.« Sag noch einer was gegen die Trierer.

Spitzensport

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Das Kulturzentrum Tuchfabrik oder Tufa ist eine feste Größe in Trier, mit einem Angebot von Pilates bis Popkonzert, vom gemeinsamen sonntäglichen Tatort-Gucken bis zum Theatersport. Theatersport? Zwei Mannschaften aus je drei Schauspielern, die Shakespeare Moselsharks und die Dramatigers Trier, treten nach Wimpeltausch und Absingen der Internationalen Theatersporthymne im edlen Wettkampf an. Das Publikum gibt für jede Szene Themen, Handlungsorte, Dialogfetzen und Genres vor – Thriller, Komödie, Liebesschnulze, Musical? – und dann wird lustig drauf los improvisiert. Und furchtbar viel gelacht. Und abgestimmt. Superklasse: Barbara Ullmann vom Theater Trier, die auch im heutigen (wie immer mäßigen) Saarbrücker Tatort die Exfrau des Opfers spielt (und übrigens auch bloggt). Der Theatersport ist zu Recht immer ausgebucht (als Moderator Michael Nix fragte, wer schon öfter als fünfmal da war, gingen viele, viele Arme hoch), für die nächsten Vorstellungen empfiehlt es sich, jetzt schon Tickets zu ordern.

Ja und nein

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Dieses Mal ist es anders. Ganz und gar anders sogar, anderser als ich es erwartet habe, und das ist auch der Grund für meine derzeitige Stummheit. Dass diese Reise mehr unter Beobachtung und unter Erwartungsdruck stattfinden würde, hatte ich mir vorher schon gedacht. Doch als mich Günther Jauch neulich fragte, ob es sich jetzt leichter oder schwieriger reise, jetzt, wo ich prominent sei, habe ich ihm beim Wort »prominent« ins Gesicht gelacht. Ich? Quatsch. 99 Prozent aller Leute haben noch nie von mir gehört, und vom restlichen Prozent würde mich die überwältigende Mehrheit nicht auf der Straße erkennen. Und das ist großartig so, anders könnte ich es auch nicht ertragen. Anders könnte ich weder arbeiten noch leben.

Und doch: Es kommen pro Tag zehn bis zwanzig Mails oder Facebook-Nachrichten von Menschen, die was wollen. Oder die was vorschlagen. In der Regel sind das wunderbare Vorschläge, Hinweise auf interessante Restaurants oder Ausflugziele in meinen Städten, schöne und von mir erbetene, hochwillkommene Aufträge. Aber es ruft eben auch ein Spiritualist an, der einen Prominenten sucht, um Medienaufmerksamkeit (»vom Focus oder so«) auf sein Anliegen zu ziehen, dass es nämlich keinen Hirntod gebe und Organspenden deshalb verboten gehören. Oder ein Friseur ruft an, der sich spannend findet und demnächst einen Charity-Kalender herausgeben will (»soll so in Richtung Brustkrebs gehen, die Frauen verlieren da ja immer ihre Haare«). Menschen mit kommerziellen Interessen melden sich, die hoffen, dass ich ein wenig Licht auf ihre Sache scheine. Bei vielen Kontakten frage ich mich inzwischen: »Was will der von mir, was verspricht er sich von der Begegnung?« Sich immer öfter diese Fragen stellen zu müssen, ist nicht angenehm. Und immer öfter Leute zu vergrätzen, denen ich was absage, ebenfalls nicht. (Wiederum andere Leute sind vergrätzt, wenn ich sie treffe und dann doch nichts schreibe. Oder zu wenig. Oder das falsche.)

Die Erwartungen nehmen von allen Seiten zu. Diejenigen der Kontaktsuchenden, diejenigen der Blogleser (»Warum schreiben Sie denn so selten was?«) und nicht zuletzt meine eigenen. Das muss verdammt noch mal großartig werden in diesem Jahr, denn darum geht es mir ja: zu beweisen, wie verdammt noch mal großartig Deutschland ist. Da darf es keinen Leerlauf geben, da muss jeder Tag funkeln, irgendwas Überraschendes muss her – und stattdessen sitze ich stundenlang am Schreibtisch, um neben meiner normalen Arbeit auch noch auf die 300 bis 500 Nachrichten im Monat zu reagieren. Mal kurz, mal ausführlich, mal zu spät, immer etwas gehetzt. Und immer im Wissen, dass ich jetzt eigentlich da draußen das tun sollte, wozu ich aufgebrochen bin: schlendernd etwas entdecken, überraschend über etwas stolpern und das dann aufschreiben. Stattdessen… siehe oben.

Das soll hier nicht in Jammerei ausarten, das will nur erklären, in welcher Lage ich mich gerade befinde. Ich mache das alles immer noch allein, ich bin immer noch eine One-Woman-Show, auch wenn das Zirkuszelt größer geworden ist, und ich muss jetzt erst mal einen Weg finden, wie es laufen soll in diesem Jahr. Trier war mir eine gute Lektion. Ich habe mich mit einigem verzettelt, bin anderem nicht genügend nachgegangen, habe den Eindruck, diesem Ort nicht mal ansatzweise nahe gekommen zu sein oder gerecht zu werden. Zu viel reagiert, zu wenig agiert. Zu viel Pflicht, zu wenig Kür. Zu viel fremdbestimmt, zu wenig der eigenen Nase gefolgt.

Ich bin schlecht darin, nein zu sagen, und das ist eigentlich auch gut so. Es hat sich nämlich bei meiner Weltreise bewährt, erst mal zu allem ja zu sagen und dann zu sehen, wohin es mich führt. Ich möchte an diesem Prinzip festhalten – und komme doch nicht umhin, mir dieses Mal meine Jas genauer zu überlegen. All jenen, denen ich in den nächsten Monaten absagen muss, möchte ich jetzt schon sagen: Es ist fast immer ein Nein-tut-mir-leid. Denn auch Spiritisten und Friseure haben garantiert eine Menge zu erzählen.

Das dort oben ist übrigens – damit wir endlich mal ein bisschen mit der Stadtführung beginnen – das Dreikönigenhaus in der Simeonstraße, ein frühgotisches Wohnhaus von 1230. Was dort rechts wie ein Fenster wirkt, war der Haupteingang zum Haus, im ersten Stock gelegen und zum Schutz der Bewohner nur über eine Zugtreppe zu erreichen. Vor zwei Wochen hätte ich das Bild noch zur Illustration dessen benutzt, was man mir zuvor über die unzugänglichen Trierer erzählt hatte. Heute taugt es besser zum Bebildern dieses Blogeintrags.

Bei Polli-Wolli

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0121urkundeDies ist der größte Burger, an dem ich je gescheitert bin – kein Wunder bei dem Namen: »Policeburger«, mit Pommes 6,50 Euro. Zu finden in der Kantine des alten Polizeipräsidiums, dem sogenannten Bullenwürfel an der Südallee. Die unteren sechs Etagen sind wegen Asbest geschlossen, im siebten Stock residiert aber nach wie vor Wolfgang »Polli-Wolli« Raskob und kocht jeden Mittag für jeden, der kommen mag. Dort saßen heute Beamte in Uniform, Mitarbeiter der umliegenden Firmen, Rentner und eine ganze Kleinfamilie. Dienstag geht man zum Schnitzeltag hin, ich hingegen… siehe oben. Selber schuld. Billiger und mit besserem Blick wird man in Trier nicht satt: Die Kantine schaut direkt auf die Kaiserthermen, das Palais und den Palastgarten.