Schnaps ist Schnaps

0217sanddorn Sanddornschnaps selber machen geht so: Sanddorn ernten, indem man Zweige vom Strauch abschneidet, sie von Blättern und Dornen befreit und in die Gefriertruhe legt. Die Beeren fallen dann von allein ab. Pressen, pro Liter Saft 700 Gramm Kluntjes durch vorsichtiges Erwärmen auflösen, mit Wodka mischen und in Flaschen füllen. (Faustregel: 400 ml Wodka, 300 ml Sanddornsaft). Ziehen lassen. Trinken. Glücklich sein.

0217indra Das Rezept und einen ausgesprochen lustigen Abend mit dessen Ergebnis verdanke ich Indra, Physiotherapeutin, Masseurin, Sporttrainerin und Mädchen für alles im Hotel Strandidyll. »Ich wohne im Feuerwehrhaus, Treppe hoch, da, wo die vielen Schuhe stehen«, hatte sie gesagt (wie mir überhaupt auf der Insel noch nie eine Adresse genannt wurde, sondern immer nur Beschreibungen: »da, wo die Hüpfburg im Garten ist«, »neben dem Friedhof, das zweite Haus«). Indra ist wie so viele gerade frisch aus dem Urlaub zurück – wer einem hier im Februar mit einer gesunden Bräune entgegenradelt, ist todsicher Insulaner.

Sie ist seit neun Jahren auf der Insel. Hängengeblieben, nachdem sie jahrelang in aller Welt unterwegs war: als Masseurin auf einem Kreuzfahrtschiff, als Backpackerin in Australien, Neuseeland, Südamerika. Nach Deutschland wollte sie eigentlich nicht wieder zurück, auf Spiekeroog wollte sie nur jobben, um ihren nächsten Australien-Trip zu finanzieren. »Aber dann habe ich gemerkt: Das ist hier gar nicht wie Deutschland.« Und ist geblieben.

Wie kommt man rein in so eine Inselgemeinschaft? Indem man ihr was gibt. Indra boßelt mit den Älteren, spielt mit den Jüngeren Volleyball, tritt mit der Plattdeutsch-Gruppe »Sabbelschnuten« auf und bietet montags Wirbelsäulengymnastik an. »Komm doch einfach hin«, sagte sie gestern, nachdem wir die Flasche und die ostfriesischen Neujahrskuchen schon ziemlich niedergemacht hatten. Klar bin ich gekommen. Mannmannmann – vermutlich habe ich morgen dank ihrer teuflischen Übungen größere Koordinationsprobleme als nach drei Litern Sanddornschnaps.

Kurz mal in meinen Kalender geschaut: knapp zwei Wochen hier, acht Abende unterwegs gewesen. Mal zur Booktied, einem monatlichen Buchclub, den einige Frauen organisiert haben, mal zu einem wirklich fantastischen Konzert zum Thema Heimat, bei dem Moritz Berg, der Veranstaltungsbeauftragte der Kurverwaltung, gleich selbst (und sehr gut) sang, mal zu Essenseinladungen, mal habe ich spontan vor Lehrerin und Schülern des Internats gelesen – ich habe mir die Tage und die Nächte auf Spiekeroog stiller vorgestellt. Jetzt schon wird klar: Was hier passiert und was nicht, steht und fällt mit dem Engagement einzelner – Indra ist da nur ein Beispiel von vielen. Man kann sich hier nicht verstecken, wie es neulich schon hieß, und man kann sein Leben nicht wegdelegieren. Bei 750 Bewohnern ist jeder selbst dafür verantwortlich, dass hier was geht. Das kann anstrengend sein – aber was man alles zum Gehen bringen kann…!

15 Gedanken zu „Schnaps ist Schnaps

  1. Friederike

    Ich schließe mich Bärbel an: Da, wo nix los zu sein scheint, ist besonders viel los, das erlebe ich hier in der tiefsten Provinz auch (und frage mich dabei, wie ich mich eigentlich so lange in den Großstädten gelangweilt habe.. ;-). Man muß eben nur genau hinschauen. Und kann ein bißchen neidisch werden auf diese kleinen Gemeinschaften.
    Danke, daß wir am Projekt teilhaben dürfen! Und liebe Grüße vom Festland… 😉

  2. Bärbel - Frau auf Reisen

    Mhm, Spiekeroog scheint das Prinzip Island im noch kleineren… Wo wenige Menschen eine ganze Kultur bauen, meerumschlungen, da ist massig viel los. Scheint lebendiger als so mancher Großstadtabend:-)

  3. Tina aus OWL

    Ich nehme ja sehr gerne Empfehlungen und Tipps aus Ihrem Blog mit, heute zum Beispiel den Verweis auf den Herzfutter-Blog, vielen Dank dafür!

  4. Oona

    So. Nun will ich den Schnaps auch probieren und kann nicht. Dumm gelaufen :O)
    Das ist das, was ich am Reisen so mag. Die Menschen, die einer begegnen. Lebensgeschichten, Biografien und jede Menge Seemannsgarn.

  5. Pfundi

    Die Kluntjes müssen nicht aufgelöst werden.
    Einfach rein in die Flasche – die lösen sich nach und nach von selbst auf.
    Ich mache zig Liköre so:
    Flasche halb voll Obst, halb voll Kluntjes und dann mit Vodka auffüllen.
    6 Wochen stehen lassen, gelegentlich schütteln – abseihen – fertig.
    Schmeckt immer.
    Kann man noch verfeinern durch Zugabe von zB Vanillestangen oder anderem.

    1. Eilaender

      Warum eigentlich Kluntjes ? Ist doch auch nur Zucker – in Groß ! Ich denke aber ohnehin ich würde es mit Braunem Zucker versuchen wollen … und Marmelade ist auch was Schönes ! (ohne Alkohol)

      1. Petra

        Kluntjes? Unbedingt! Wenn die großen Kandisstücke sich knisternd im (Ostfriesen-)Tee, Sanddorngrog oder was auch immer … auflösen, dann ist das für alle Nordmenschen wie ein Stück Heimat – Zeit zum Innehalten, Seemannsgarn spinnen, Philosophieren oder einfach nur klönen. Das kann anderer Zucker nicht ersetzen! Bei mir MUSS es Kandis sein – allen anderen (Süß-)Stoffen zum Trotz.
        Schon mal eine ostfriesische Teezeremonie genossen????
        fragt mit herzlichen Grüßen
        Petra

  6. Hildegard

    Ich weiß nicht, wie Sie das machen, Meike, aber es passiert immer wieder. Ich lese eine ihrer Geschichten, sehe ein paar Stichworte und fange an im Internet rumzusuchen, folge also Ihren Spuren. Am Ende ca 1/2 Stunde oder so, bin ich glücklich und zufrieden über all die kleinen Dinge, die ich erfahren habe. (Das gleiche passiert mir auch bei den Zuschriften, eine(r) gibt einen Hinweis oder einen Link und ich gehe auf Reisen). Wie ein junger Hund überall rumschnüffeln. Mein Vater, Westfale, nannte das „von Höcksken auf Stöcksken kommen“. Beispiel heute: Die Wirbelsäulengymnastik von Indra. Erst mal Wirbelsäulengymnastik gesucht, dann Angebote bei mir in Karlsruhe. Plötzlich war ich bei QiGong und Tai Chi gelandet und habe am Computer bei einem 6 Minuten Video mitgemacht. Habe gelernt, dass der Hauptsitz des Centre Qi Gong ausgerechnet in Karlsruhe ist und werde mich zu einem Schnupperkurs anmelden. Vielleicht liegt Ihre Stärke darin, dass Sie keine fertigen Geschichten erzählen sondern solche, die jeder für sich zu Ende erleben kann. Auf alle Fälle DANKE!

  7. Ada

    Bei uns im Ruhrpott wurden um den Jahreswechsel herum auch Neujahrshörnchen gegessen. Die schmeckten nach Anis und waren superlecker.
    Nun halte ich endlich mal ein Rezept in den Händen. Tolle Anregung. Jetzt braucht es noch ein Eisen…

    Ada

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