Guildo hat mich lieb

Das Handy klingelt. Nummer unterdrückt. »Tach. Hochst Köhler«, meldet sich eine Stimme.

Näh! Gibbet nit! Gibbet doch. Horst Köhler alias Guildo Horn (genau, der Guildo Horn) hatte neulich schon mal hier einen Kommentar hinterlassen, in dem er mir seine Mutter und ihre Nussecken (»Mutti freut sich!«) sowie seinen Freund Rüdiger (»ein extrem angenehmer Zeitgenosse«) ans Herz legte. Seine Frau hatte mein Buch gelesen und ihn auf mein Deutschland-Ding aufmerksam gemacht, vor allem auf Trier. Jetzt ruft er an, einfach so, und wir plaudern. Über Trier, seine Heimatstadt, die er verlassen hat, weil man hier so wahnsinnig schwer wegkommt, wie er sagt, ungünstig für einen fahrenden Gesellen wie ihn. Er ist am Fußballstadion aufgewachsen, bei der Rosi hat er als Kind seine Brausetabletten gekauft, bei ihrem Bruder sein Fahrrad. Er schwärmt vom Konzept Trier. »Nicht zu groß, nicht zu klein, eine Enklave, ein kleines gallisches Dorf. Auf den ersten Blick verschlossen, aber nicht, wenn man sich auskennt.« Ideal, um dort aufzuwachsen. »Ich bin mit acht, neun schon allein in die Innenstadt gegangen, alles war nah und übersichtlich.«

Er gibt mir noch ein paar Ratschläge: die Genovevahöhle, das Busental, seinen besten Freund Rolf soll ich auch unbedingt treffen und natürlich Rüdiger, der eine Schiffswerft an der Mosel betreibt, gegründet vom Großvater. »Schade, dass du nicht im Sommer da bist«, sagt er. »Einer der schönsten Orte von Trier ist das Nordbad direkt an der Mosel. Man guckt auf die Weinberge und die Felsen gegenüber, es ist herrlich.«

0110wochenmarktIrgendwie kommen wir auf sein Engagement für Behinderte. Seine Mutter Lotti war Busfahrerin für die Lebenshilfe Trier, er selbst, der Diplompädagoge, hat für viele Projekte der Stiftung gearbeitet, unter anderem für das Hofgut Serrig, auf dem 160 geistig Behinderte wohnen und arbeiten. Da sage ich ein zweites Mal »Gibbet nit«. Denn da habe ich am Morgen erst Wurst gekauft.

Auf dem Wochenmarkt am Viehmarkt war mir ein Fleischstand mit extrem langer Warteschlange aufgefallen. Irgendwas musste hier gut sein, also stellte ich mich hinten an und fragte die vor mir Stehenden aus. Tolles Fleisch, prima Projekt, hieß es. Und so ist es: vorzügliche Hausmacher-Salami (Hachtwuuscht auf Trierisch), gutes Huhn, das Schlangestehen hat sich gelohnt.

»Ich engagiere mich nicht für Behinderte, sondern für die Gesellschaft«, sagt Horst zum Abschied. »Mir geht es um ein Land, in dem alle miteinander leben. Man kann so viel von Behinderten lernen, die können einen derart überraschenden Pass in die Tiefe spielen. Ich mag die einfach.« Und ich mag den einfach. Und jetzt muss ich Lotti anrufen.

16 Gedanken zu „Guildo hat mich lieb

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  2. jule

    Die Frage richtet sich an Meike, aber vielleicht auch Antwort anderer willkommen.
    Moritz, hast Du das mit dem Ansprechen denn selbst mal probiert? Welche Erfahrungen hast Du gemacht?

    Klar reagiert nicht jeder Mensch, den man spontan anquatscht oder freundlich etwas fragt, mit Begeisterung und Offenheit, das hängt von Tagesform und anderen Faktoren ab. Ich bin selbst schließlich auch nicht permanent in kommunikativer Stimmung. Von irritierter oder unwirscher Antwort gegebenenfalls nicht beirren lassen und es nicht persönlich nehmen, falls das Gesprächsangebot abgelehnt wird. Als Angebot sehe ich jedenfalls so eine Situation, entweder ergibt sich ein Dialog oder nicht.
    Nützlich ist aus meiner Sicht ein genereller Vertrauensvorschuss anderen Menschen gegenüber – die Annahme, dass andere mir Gutes wollen und ein Kontakt mit ihnen interessant und bereichernd sein kann. Mal schauen, mit wem ich es zu tun habe. (Okay, gegenüber betrunkenen Pöblern im U-Bahnhof verzichte ich eher auf unverbindliche Gesprächsangebote. ;-))

    Auf Konzerten beispielsweise habe ich schon einige neue Kontakte geknüpft, zum Teil sind sogar dauerhafte Freundschaften entstanden – ursprünglich basierend auf einem unverbindlichen Anquatschen, manchmal sogar auf einem Anrempeln.

    Kurzzeitbekanntschaften für ein paar Minuten oder Stunden (zum Beispiel bei einer Bahnfahrt) haben auch was für sich.

    In Sachen „Zufliegen“: Schon seit meiner Jugend werde ich häufig nach dem Weg oder der Uhrzeit gefragt. Auch wenn ich in (attraktiver) Begleitung war, richtete der Fragesteller sich oft direkt an mich. Ein Lehrer behauptete während einer Klassenfahrt, bei welcher er dieses Phänomen beobachten konnte, dass ich gleichzeitig wissend und harmlos aussehe – „und irgendwie auskunftsfreudig“.
    An Gespräche mit Fremden bin ich somit gewöhnt, eventuell macht es das einfacher, selbst die Initiative zu ergreifen und in Kontakt zu treten.

    Wie sagte Meike mal so schön? „Traut euch – Mut wird immer belohnt.“

    Gruß
    jule

  3. kleine fluchten ♥

    Schon alleine wegen der Nussecken, unbedingt…
    Solltest Du das Hofgut mal in echt sehen wollen, lass es mich wissen – ich begleite Dich gerne!
    Schon die Fahrt dorthin, über die Dörfchen und durchs Saartal, ist wunderschön und ich weiß auch, wo man einen wirklich guten Kaffee bekommt 😉

    LG Tina

  4. Hollow Skai

    Das hat mich gleich mal motiviert, einen alten Artikel von mir hervorzukramen, der am 16.1.98 im Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt erschienen ist und in dem es hieß:
    „Für Guildo Horn ging ein Kindheitstraum in Erfüllung. Schon als Junge hatte er sich immer gewünscht, einmal auf die ZDF-Torwand schießen zu dürfen. Im vergangenen Dezember war es endlich so weit. In der TV-Sendung »Menschen ’97« trat Horn, der Meister im Recycling des deutschen Schlagers, gegen Lothar Matthäus vom deutschen Fußballmeister Bayern München an. Gleich den ersten Schuss versenkte er fulminant im Torrund. Dann ballerte Horn einige Male voll über die Latte, ließ sich aber auch vom Ausgleich durch den Rekord-Nationalspieler nicht irritieren. Bevor er zum letzten Schuss antrat, zog er sich noch schnell den Schuh aus und krempelte sich das Hosenbein hoch. Barfuß erzielte er das entscheidende Tor zum 2:1. Während Matthäus die Niederlage angestrengt grinsend runterwürgte, fiel Horn auf die Knie und küsste den Boden, als hätte er gerade auf dem heiligen Rasen des Londoner Wembley-Stadions den Siegtreffer im Pokalfinale geschossen.“
    Wenig später trat er dann beim European Song Contest an.

  5. Otto E. Fuss

    Beim Tipp „Busental“ von Horst Köhler ist mir sofort wieder meine Kindheit eingefallen.
    Ende der 50er (letztes Jahrhundert !) war ich Sonntags oft mit meiner Mutter im Busental. Mein Onkel Fritz hatte dort eine „Forsthütte“, so eine Art Ausflugslokal, wo es die besten Schinkenbrote der Welt gab – bei uns zuhause gab es nämlich nie Schinken, weil der viel zu teuer war.
    Da möchte ich gerne mal wieder hin …

  6. Tina aus OWL

    Was es doch für schöne sich kreuzende Wege gibt! Ach, da denke ich gerne an den Eurovision Song Contest zurück, mit vielen, lieben Mädels hopsend auf dem alten Sofa bei uns zu Hause, mit Tonnen voller Himbeereis, Prosecco und selbst gemachten Nussecken! War das echt schon 1998??? Die Erinnerung ist noch viel frischer!

  7. Frauke

    Guildo war auch mal ganz lieb zu meinem Vater. Beim Weihnachtskonzert in Trier2002, als mein Vater schon schwer krebskrank war, hat er ein Lied nur für ihn gesungen. Guildo war nämlich ein Schüler meines Vaters Peter, der Kunsterzieher war. Hat später im TV gestanden, deshalb wissen wir das.
    Danke, Guildo, ich fand das rührend!

  8. ingrid kirschning

    Freu mich jeden morgen auf ihre Begegnungen.Sie machen die Tour für mich mit. Bin selbst viel zu feige dazu. Weiter so.

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  10. Elke S.

    Werden Sie eigentlich nicht permanent erkannt und angesprochen ?
    Gefällt mir richtig gut, was Sie wieder machen. Schade, dass Sie Meikes Reisebüro in der SZ geschlossen haben. War mir immer eine Freude. Elke

  11. Anette

    Nee, wat ne tolle Geschichte 😉
    Versüßt mir meinen Sonntag, wo hier im Norden endlich mal das Dauergrau unterbrochen wird.

  12. Maren Latter

    Was für eine schöne Geschichte – da geht einem doch das Herz auf – ich freu mich über die tollen Begegnungen, die Sie haben – ich nehme davon über Ihren Blog ein Stück mit in mein Leben (und werd mir ne Scheibe von dieser Offenheit abschneiden). Viel Freude weiterhin

  13. Marie-Johanna Tailor

    Ich freue mich mit Ihnen über die vielseitigen Begegnungen. Im Sommer wäre das ja gar nicht auszuhalten 😉 Guildo Horn ist sowieso eine tolle Type und bei allem Quatsch einer der ernsthaftesten in diesem Gewerbe.

    Liebe Grüße Marie-Johanna

  14. Moritz Peters

    Auch wenn Sie mir den Rat gegeben haben, dass man die Leute einfach ansprechen muss, damit man mit ihnen ins Gespräch kommt – entweder Sie machen irgendetwas anders, oder es fällt Ihnen einfach zu.

    1. Christa Lassen

      Eine „Gemeinsamkeit“ wie z.B. in der selben Schlange stehen, oder ebenfalls
      einen Hund dabei haben hilft enorm – meistens entwickelt sich ein nettes Gespräch.

    2. jule

      Die Frage richtet sich an Meike, aber vielleicht auch Antwort anderer willkommen.
      Moritz, hast Du das mit dem Ansprechen denn selbst mal probiert? Welche Erfahrungen hast Du gemacht?

      Klar reagiert nicht jeder Mensch, den man spontan anquatscht oder freundlich etwas fragt, mit Begeisterung und Offenheit, das hängt von Tagesform und anderen Faktoren ab. Ich bin selbst schließlich auch nicht permanent in kommunikativer Stimmung. Von irritierter oder unwirscher Antwort gegebenenfalls nicht beirren lassen und es nicht persönlich nehmen, falls das Gesprächsangebot abgelehnt wird. Als Angebot sehe ich jedenfalls so eine Situation, entweder ergibt sich ein Dialog oder nicht.
      Nützlich ist aus meiner Sicht ein genereller Vertrauensvorschuss anderen Menschen gegenüber – die Annahme, dass andere mir Gutes wollen und ein Kontakt mit ihnen interessant und bereichernd sein kann. Mal schauen, mit wem ich es zu tun habe. (Okay, gegenüber betrunkenen Pöblern im U-Bahnhof verzichte ich eher auf unverbindliche Gesprächsangebote. )

      Auf Konzerten beispielsweise habe ich schon einige neue Kontakte geknüpft, zum Teil sind sogar dauerhafte Freundschaften entstanden – ursprünglich basierend auf einem unverbindlichen Anquatschen, manchmal sogar auf einem Anrempeln.

      Kurzzeitbekanntschaften für ein paar Minuten oder Stunden (zum Beispiel bei einer Bahnfahrt) haben auch was für sich.

      In Sachen “Zufliegen”: Schon seit meiner Jugend werde ich häufig nach dem Weg oder der Uhrzeit gefragt. Auch wenn ich in (attraktiver) Begleitung war, richtete der Fragesteller sich oft direkt an mich. Ein Lehrer behauptete während einer Klassenfahrt, bei welcher er dieses Phänomen beobachten konnte, dass ich gleichzeitig wissend und harmlos aussehe – “und irgendwie auskunftsfreudig”.
      An Gespräche mit Fremden bin ich somit gewöhnt, eventuell macht es das einfacher, selbst die Initiative zu ergreifen und in Kontakt zu treten.

      Wie sagte Meike mal so schön? “Traut euch – Mut wird immer belohnt.”

      Gruß
      jule

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